Schach-Zitate – Irrungen und Wirrungen über Ländergrenzen hinweg

Schach-Zitate – Irrungen und Wirrungen über Ländergrenzen hinweg

Auf den Websites verschiedener Schachvereine, Schachorganisationen und Internetportale mit Zitatensammlung finden sich Schach-Zitate von verschiedenen Persönlichkeiten. Darunter befinden sich klangvolle Namen wie Siegbert Tarrasch, Emanuel Lasker, Alexander Aljechin, Robert Fischer, Marcel Duchamp. Die Zitate von Persönlichkeiten werden aus unterschiedlichen Gründen verwendet:

  • Kurze und prägnante Formulierung statt ausschweifende Darlegung der Gedanken
    Manche Zitate bringen einen Sachverhalt kurz und prägnant auf den Punkt, so dass gern darauf zurückgegriffen wird.
  • Abfärbeeffekt der Persönlichkeit als Autorität
    Die Benennung einer starken Persönlichkeit soll die Bedeutung der formulierten Aussage unterstreichen bzw. der Aussage mehr Bedeutung geben.
  • Alibi-Funktion der Persönlichkeit
    Die Benennung einer Persönlichkeit soll die eigene Position stärken.und beweisen, dass schon andere Menschen diese Auffassung vertraten.
  • Motivation
    Das Zitat beschreibt anschaulich das Ziel, soll zum Nachdenken anregen und Emotionen beim Empfänger (Leser, Zuhörer) auslösen.

Wer von den Verwendern der Schach-Zitate kennt tatsächlich deren Quelle? Das Internet stellt Unmengen an Informationen zur Verfügung. Für den Alltagsgebrauch wird man gewöhnlich auf eine tiefergehende Prüfung verzichten, ob das Zitat tatsächlich so von der Person geäußert wurde, vor allem, wenn man dem Zitat auf vielen Websites begegnet. Es ist nicht überliefert, ob die anderen Websitebetreiber das Zitat auf die Vertrauenswürdigkeit der Quelle oder auf den Wahrheitsgehalt prüften oder ob sie einfach blindlings auf die Richtigkeit vertrauten. Die überregionale deutsche Tageszeitung „Welt“ veröffentlichte unlängst einen Artikel zu „Fake-Zitate, die Seuche des Internets“. Im Forum von Chesspro.ru beschäftige man sich intensiv mit den Schachzitaten, wobei ein User darauf drängte, eine Sammlung von Schachzitaten mit Nennung der Quelle und dem Jahr der erstmaligen Nennung zu erstellen.

Die Recherchen, wie ein Schach-Zitat in anderen Sprachen heißt, ergaben, dass ein und dasselbe Zitat mehreren Personen zugeschrieben wird. Eine Umfrage unter Schachspielern, wer der Verfasser der allseits bekannten Schachweisheit „Die Drohung ist stärker als die Ausführung.“ ist, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu unterschiedlichen Namensnennungen führen: Siegbert Tarrasch, Savielli Tartakower und Aaron Nimzowitsch. Der Name des vierten im Bunde, wird wenigen geläufig sein – Karl Eisenbach.

Der Herkunft des eben erwähnten Schach-Zitats „Die Drohung ist stärker als die Ausführung.“ widmete der englische Journalist und Schachhistoriker Edward Winter einen eigenen Artikel mit dem Titel „A Nimzowitsch Story“ (Juni 2018). die wie ein Krimi anmutet. Obwohl Karl Eisenbach, Sekretär der Wiener Schachgesellschaft, erstmalig 1908 in der Wiener Schachzeitung mit der Schachweisheit „Die Drohung ist stärker als die Ausführung“ zitiert wurde, wird das Zitat meistens mit Savielli Tartakower, Siegbert Tarrasch oder Aaron Nimzowitsch in Verbindung gebracht. Internetrecherchen ergaben, dass in Deutschland, Russland, Italien, Polen alle drei Namen – Savielli Tartakower, Siegbert Tarrasch oder Aaron Nimzowitsch – als Urheber der Schachweisheit angeführt werden. Im englischen, spanischen, portugiesischem und französischem Sprachraum, in  Holland, Ungarn wird Aaron Nimzowitsch genannt. Bei der durchgeführten Recherche stieß ich lediglich einmal auf eine Website, wo der Verfasser des Zitates Karl Eisenbach korrekt genannt wurde. Es war eine kanadische Website.

Ein weiteres weltbekanntes Zitat stiftet Verwirrung: „Schach ist Gymnastik des Verstandes“. Es wird abhängig vom Land entweder Lenin (sowjetischer Staatsmann) oder Blaise Pascal (französischer Mathematiker) zugeschrieben. Internetrecherchen zeigen: In Deutschland, Russland, Frankreich, Serbien, Tschechien gilt Lenin als Verfasser des Zitates. In Polen, Italien, Bulgarien, Italien, Rumänien, Slowenien, Georgien sowie im spanischen, englischen und portugiesischen Sprachraum wird Blaise Pascal als Urheber genannt.  In einem Fall wurde das Zitat sogar auf Felix Dzerschinski, Gründer der sowjetischen Geheimpolizei, zurückgeführt – siehe die Website diletant.media. Der Schachhistoriker Edward Winter löste 2005 das Rätsel um die Herkunft des Zitates auf, indem er das Buch von Peter Pratt „Studies of Chess“ (London 1803) als Beweis anführt.

Weitere interessante Beispiele und Versuche der Klarstellung findet man zum Beispiel im Forum Zitatnik (Цитатник) auf Chesspro.ru.

Es stellt sich die Frage: Wären die beiden Zitate „Schach ist Gymnastik des Verstandes.“ und „Die Drohung ist stärker als die Ausführung.“ noch genauso attraktiv und wirkungsvoll, wenn man sie mit den weniger bekannten Namen Peter Pratt und Karl Eisenbach zitiert? Vermutlich wird man weiterhin selten die Namen Peter Pratt und Karl Eisenbach in diesem Zusammenhang lesen.

Schach-Zitate mit Quellenangaben:

https://www.chesshistory.com/winter/extra/quotations.html
https://en.wikiquote.org/wiki/Chess
https://de.wikiquote.org/wiki/Schach
https://fr.wikiquote.org/wiki/%C3%89checs
https://www.chess.com/article/view/chess-quotes

Schachzitate in vier Sprachen, ohne Prüfung der Quellen