Schach – die Schatzkiste der Bildungspolitiker (update zum Beitrag vom 05.02.2022)

Vor einem Jahr wurde an dieser Stelle über den enormen volkswirtschaftlichen Gewinn des Schulschachs berichtet (s. Link)[1] Nun wurde dem Autor dieser Seite ausführlichere Informationen von „Damvad Analytics“, die für den Verband der Dänischen Industrie die Studie erstellte, zur Verfügung gestellt. Mit Erlaubnis von „Damvad Analytics“ kann hier die Studie eingesehen werden:

In dänischer Sprache (Original): Skoleskak til livsudfald samfundsøkonomisk analyse
In deutscher Sprache (Übersetzung: Frank Bicker): Eine sozioökonomische Perspektive auf das Schulschach
aktuellen Beitrag als PDF-Datei: Schach – die Schatzkiste der Bildungspolitiker

Es herrscht Konsens darüber, dass Mathematik und Lesefähigkeiten die Schulkarriere bestimmen und die beruflichen Qualifikationen bestimmen. Beide Kompetenzen sind Kernkompetenzen, um sich erfolgreich Wissen in anderen Bereichen aneignen zu können. Die betroffenen Schüler wissen, dass sie Schwierigkeiten haben. Wenn sich die betroffenen Schüler bei diesen Kernkompetenzen nicht verbessern, dann wird das möglicherweise am Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl der Schüler nagen und der Lernmotivation abträglich sein. Schlechte Schulleistungen bedeuten oft genug auch wenig gute wirtschaftliche Aussichten im späteren Leben für die betroffenen Personen.

Diesen Zusammenhang bestätigten britische Forscher in einer großangelegten Studie. Sie fanden heraus, dass unzureichende Mathematikfähigkeiten und Lesefähigkeiten in der Grundschule lange nachwirken und den sozioökonomischen Status der Person im Erwachsenenalter beeinflussen.[2]

Die dänische Unternehmensberatung „Damvad Analytics“ (neue Firmierung: „Amsterdam Data Collective“) baut auf die vorhandenen Studien, die belegen, dass Schach zu besseren Leistungen in den Schulfächern, vor allem in Mathematik führen. Wenn flächendeckend regelmäßiger Schachunterricht in Dänemark stattfinden würde, würden wesentlich mehr Schüler bessere mathematischen Fähigkeiten haben, was laut der Studie für Dänemark 1 Milliarde DKK (ca. 134 Millionen Euro) Gewinn über einen Zeitraum von fünf Jahren entsprechen würde. Der finanzielle Gewinn des Schulschachs für die dänische Gesellschaft wurde aus den Vorteilen besserer Mathematikleistungen für einen besseren Schulabschluss und berufliche Karrieren errechnet.

 

Inhaltsübersicht

 

Gesellschaftliche Kosten bei Schulabbruch

Der errechnete finanzielle Gewinn infolge regelmäßigen Schulschachs für Dänemark ist plausibel, wenn man in andere Länder schaut, was diese an späteren Kostenbelastungen wegen unzureichender mathematischer Kenntnisse und schlechten Schulleistungen angeben. Die Kosten, die der öffentlichen Hand in Großbritannien durch das Nichterlernen grundlegender Rechenfertigkeiten in der Grundschule entstehen, werden für alle Personen mit Rechenschwierigkeiten auf bis zu 2,4 Milliarden Pfund pro Jahr geschätzt. Die Kosten für Personen mit reinen Rechenschwierigkeiten (die nicht gleichzeitig mit Lese- und Rechtschreibschwächen auftreten) werden auf bis zu 763 Millionen Pfund pro Jahr geschätzt.[3]

Das EU-Parlament gab eine Studie in Auftrag, in der die langfristigen Kosten eines Schulabbruchs[4] beziffert werden: „Die finanziellen Auswirkungen des Schulabbruchs sind immens, da er für den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt hohe Kosten verursacht, die sich im Laufe eines Lebens auf ein bis zwei Millionen Euro pro Schulabbrecher summieren. Im Falle der Niederlande beispielsweise werden die lebenslangen Kosten der Ausgrenzung von Schulabbrechern auf 1,8 Millionen Euro geschätzt. Finnland veranschlagt die jährlichen Kosten pro Schulabbrecher mit 27 500 Euro und die lebenslangen Kosten (40 Jahre) mit mehr als 1,1 Millionen Euro, was allerdings viele noch für untertrieben halten. Ähnlich verhält es sich in Irland, wo dem Staat durch die Zahlung von Sozialleistungen und die Verluste an Steuereinnahmen pro männlichem Schulabbrecher jährliche Kosten in Höhe von 29 300 EUR entstehen, wobei noch nicht einmal die Kosten der gesundheitlichen Betreuung oder einer eventuellen Straffälligkeit einberechnet sind. Durch ein einziges weiteres Schulbesuchsjahr kann das Lebenseinkommen um mehr als 70 000 EUR steigen.“[5]

Welchen gesellschaftlichen Nutzen, finanziell ausgedrückt in Euro, könnte Deutschland aus dem regelmäßigen Schachunterricht erzielen?

Schlechtes Abschneiden in Mathematik ist ein häufiger Grund für den Schulabbruch. Schulabbruch bedeutet, schlechtere Startbedingungen in das Berufsleben. Die erwähnte dänische Studie macht auf den Zusammenhang zwischen schlechten Leistungen in Mathematik und dem Begehen von Straftaten aufmerksam. Eine Analyse in Dänemark zu „Kriminalität und Bildungsgrad bei Jugendlichen“[6] gibt an, dass Jugendliche, die die 8. oder 9. Klasse abgebrochen haben, eine fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit haben, im Alter von 25 Jahren vom Gericht verurteilt zu werden als Personen, die die Grundschule (Dänemark: Klassen 1 bis 9) abgeschlossen haben. In die Berechnung der sozioökonomischen Vorteile der Studie von „Damvad Analytics“ wurden auch die entgangenen Einkommensverluste der Schulabbrecher und die zusätzlichen Kosten für die Aufnahme einer Berufsausbildung berücksichtigt.

Für Dänemark werden 11000 Schulabbrecher angegeben. Angesichts der unterschiedlichen Einwohnerzahlen von Dänemark und Deutschland, müsste die Zahl der Schulabbrecher in Deutschland höher sein. Die Recherche ergab:

Schuljahr Anzahl der
Wiederholer/-innen
Beendigung der Schule ohne Schulabschluss/ Hauptschulabschluss
2021/ 2022 155800
2020/ 2021 93100
2019/ 2020 143600 45100
2018/ 2019 52800
2017/ 2018 53600

Tabelle 1: Quellen: Berufsbildungsbericht 2021 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung[7] und Statistisches Bundesamt (Destatis)[8]

Die Schüler, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen oder die die auf dem Arbeitsmarkt relevanten Mindestqualifikationen nicht vorzeigen können, zählen zur Hochrisikogruppe für soziale Devianz (Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum, Delinquenz, psychische und gesundheitliche Probleme) und Armut zu zählen.[9] Auch Schüler, die die Schule nicht verlassen, können zu der Hochrisikogruppe gezählt werden. Es sind Schüler, die innerlich gekündigt haben, die ihre Zeit im Unterricht absitzen, ohne wirkliches Interesse am Unterrichtsgeschehen.

Jedes Jahr verlassen weitere Schüler die Schule ohne Abschluss. Nach den Daten des Mikrozensus 2020 verfügten 15,5% (hochgerechnet 2,33 Mio.) der jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland über keinen Berufsabschluss und somit über schlechtere Voraussetzungen für eine dauerhafte qualifizierte Beteiligung am Erwerbsleben. „Im Berufsbildungsbericht 2022“ werden die erheblichen negativen Konsequenzen aufgezählt. „So tragen Personen ohne Berufsabschluss u. a. ein höheres Risiko der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit, und verdienen im Vergleich zu Beschäftigten mit Berufsabschluss im Durchschnitt deutlich weniger. Auch werden vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung vor allem junge Menschen als Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gebraucht.“[10]

Viele versuchen über den Übergangsbereich nachzuholen, was während der Schulzeit nicht gelang, die Ausbildungsreife oder einen Schulabschluss. Im Jahr 2020 waren im Übergangsbereich folgende Personengruppen am stärksten vertreten:

  • mit Hauptschulabschluss 45,3%
  • ohne Hauptschulabschluss 26,4%,
  • mit Realschul- oder gleichwertigen Abschluss 21,1%

Die Ungelerntenquote variierte stark in Abhängigkeit vom erreichten Schulabschluss. Personen ohne Schulabschluss sind besonders gefährdet, keinen Berufsabschluss zu erzielen. Die Ungelerntenquote der 20- bis 34-Jährigen lag im Jahr 2020 in dieser Gruppe bei 64,4% bzw. bei weit über 1 Million. Mit steigendem Schulabschluss sinkt die Ungelerntenquote (Hauptschulabschluss: 35,8%, Realschulabschluss: 13,3%, Studienberechtigung: 7,4%).[11]

Zurück zum Anfang

 

 Kriminalität und Bildungsgrad

Der fehlende Schulabschluss kann zu wirtschaftlicher Not und fehlende Zukunftsperspektiven führen. Mancher Betroffene begeht eine Straftat. In Vergleich zu Dänemark sind aktuelle Zahlen für Deutschland rar. 2009 wurde in Deutschland die Studie „Folgekosten der Kriminalität durch mangelnde Bildung“ von Prof. Dr. Horst Entorf und Philip Sieger veröffentlicht. Die Studie weist für Deutschland erstmalig einen kausalen Zusammenhang zwischen unzureichender Bildung (fehlendem Hauptschulabschluss) und kriminellem Verhalten nach.

„Steigende Anteile von Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss führen zu einem deutlichen Anstieg von Tötungs‐, Raub‐ und Diebstahldelikten in den Bundesländern“.[12]

Höchste Schulabschlüsse von Haftinsassen über 18 Jahre, Anteile in %

Kein
Hauptschulabschluss
Hauptschule Abitur n
Körperverletzung 25.7 % 47.6 % 5.7 % 315
Tötungsdelikt 12.2 % 50.3 % 4.2 % 161
Drogendelikt 16.3 % 46.7 % 8.7 % 332
Diebstahl 25.4 % 45.6 % 6.3 % 397
Betrug/ Fälschung 11.0 % 38.9 % 17.0 % 335

Tabelle 2: Datenquelle: Darmstädter Insassenbefragung (Entorf et al. 2008)[13].

Die große Mehrheit der Verurteilten hat keinen oder einen über die Hauptschule hinausgehenden Abschluss.

Für die Berechnung der Kriminalitätskosten wurde auf Erfahrungen Dritter zurückgegriffen. Daraus wurden folgende Durchschnittskosten je Delikt ermittelt und den weiteren Berechnungen zugrunde gelegt:

  • Tötungsdelikt (Mord oder Totschlag): 2.146 Millionen Euro
  • Raub, räuberische Erpressung: 10.700 Euro
  • Diebstahl (beide Kategorien) 1.200 Euro

Die Autoren der Studie betonen, dass die Zahlen mit Unsicherheit behaftet sind. Zum Beispiel: Wie kann ein Menschenleben in Geld ausgedrückt werden? Der interessierte Leser kann in der genannten Studie alle Details, Annahmen und Schlussfolgerungen Schritt für Schritt nachvollziehen. Es wurden 3 Szenarien durchgerechnet, wie sich höhere Bildungsabschlüsse auf die Zahl der Straftaten auswirken würden. Unter Berücksichtigung der Annahmen der Durchschnittskosten je Delikt ergeben sich beeindruckende Zahlen. Unabhängig des monetären Wertes sollte auch bedacht werden, wie vielen Menschen das durch Straftaten zugefügte Leid erspart bleiben würde.

Tabelle 3: Reduktion der Fallzahlen für verschiedene Szenarien der Verringerung unzureichender Bildung [14]

Zusammenfassend beschreibt die Studie „die hypothetischen Konsequenzen einer Bildungsinitiative, die den Anteil unzureichender Bildung (Fehlen eines Hauptschulabschlusses) um alternativ 10 %, 25 % oder 50 % reduzieren würde. Unter Nutzung der Erkenntnisse zu den Kosten der Kriminalität und Verwendung der ökonometrischen Ergebnisse zum Zusammenhang von Bildung und Kriminalität zeigen sich sowohl Möglichkeiten der deutlichen Verbesserung der öffentlichen Sicherheit als auch große Potentiale der Kostensenkung. Würde man den Anteil unzureichender Bildung (entsprechend eines mittleren Bewertungsszenarios) um 50% reduzieren, so ergäbe sich eine Reduktion von Mord und Totschlag um 18 %, von Raub und Erpressung um 27%, von leichtem Diebstahl um 17 % und von schwerem Diebstahl um 10%. Insgesamt hätte sich so allein im Jahr 2009 eine Verringerung der Kosten der Kriminalität um 1,42 Mrd. Euro ergeben. Dieser Wert ist als konservativ einzuschätzen. Er liegt im unteren Bereich alternativer Kostenschätzungen, die von 1,2 Mrd. Euro bis 3,1 Mrd. Euro Einsparpotential ausgehen.“[15] Die Erfahrung, dass Hauptschüler zunehmend Schwierigkeiten, eine (attraktive) Lehrstelle zu bekommen, ist ein weiterer starker Grund, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und den Schülern den qualifizierten Schulabschluss zu verschaffen, der die Türen für berufliche Perspektiven weit öffnet.

Im Bildungsbericht 2022 des Deutschen Bundestages ist nachzulesen[16],    dass die Kultusministerkonferenz (KMK) davon ausgeht, dass die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss bis zum Jahr 2030 auf 48 000 steigen wird. Vermutlich werden diese Zahlen in den kommenden Jahren wegen der erschwerten Lernbedingungen und Schulschließungen während der Corona-Pandemie höher ausfallen.

Zurück zum Anfang

 

Gesellschaftliche Kosten für die Wiederholung des Schuljahrs

Strategien zur Senkung der Schulabbrecherquote sind zum einen präventive Maßnahmen und zum anderen Reparaturmaßnahmen, die sich an den Schulabbrecher direkt wenden. Sinnvoll wäre es, mit sinnvollen Maßnahmen schon so zeitig wie möglich präventiv gegen mögliches Schulversagen anzukämpfen. Das fängt im Kindergarten und Grundschule an. Kontraproduktiv ist die weitverbreitete Sprachregelung, dass die Note 3 eine gute Zensur wäre. In der Grundschule, nach deren Abschluss die Kinder das Einmaleins beherrschen sollen, kann die Note 3 keine gute Zensur sein.  Das wird am folgenden Beispiel illustriert:

Für eine schriftliche Arbeit/ Kurzarbeit mit der Gesamtpunktzahl 10, werden die Noten abhängig von der Punktzahl wie folgt vergeben:

Note Erreichte Punktzahl
Note 1 10 Punkte
Note 2 Ab 8 Punkte
Note 3 Ab 6 Punkte
Note 4 Ab 4 Punkte
Note 5 Ab 2 Punkte
Note 6 Unter 2 Punkte

Tabelle 3: Notenübersicht für die Maximalpunktzahl 10 von 10

Was ist gut an der Note 3, wenn der Schüler bei den Grundrechenaufgaben gerade mal 6 richtige Lösungen angeben kann?  Konflikte zwischen Elternhaus und Schule sind vorprogrammiert. Eltern, die sich um ihr Kind kümmern, wissen, dass nur 6 richtige Lösungen bei 10 Aufgaben kein gutes Ergebnis sein kann, weil alles, was das Kind in Mathematik, Physik, Chemie noch lernen wird, auf diese Grundkenntnisse der Grundschule aufbaut. Außerdem sollen die Kinder später als Erwachsene die Kontoauszüge lesen, bei Rabattaktionen die Preisersparnis im Kopf ausrechnen oder entscheiden können, ob sie sich den Ratenkauf tatsächlich leisten können.

In einem Dokument der Europäische Kommission in 2012 werden Möglichkeiten zur Reduzierung der Schulabbrecherquote in Europa diskutiert. Für Deutschland wird dargelegt, dass man Schulabbruch vermeiden und den Übergang Schule-Berufsausbildung unterstützen will. Es werden drei Kernkompetenzen angeführt: Potenzialanalyse, Berufsorientierungsmaßnahmen und individuelle Beratung und Hilfe. Schülerinnen und Schüler der 7. oder 8. Klasse der Sekundarstufe (13 oder 14 Jahre) werden dabei unterstützt, ihre Stärken und Fähigkeiten, aber auch ihre Schwächen zu erkennen. …[17] Warum wird nicht schon in der Grundschule angesetzt, bevor Schulkarrieren festgelegt sind?

Die Wiederholung des Schuljahres wird als eine Möglichkeit angesehen, dem Schüler zu helfen und am Ende einen Schulabschluss zu erreichen. Über den Nutzen wird heftig gestritten. Es sollte nicht unterschätzt werden, dass der Schüler, der das Schuljahr wiederholt, aus seinem bisherigen Klassenumfeld, herausgerissen wird, möglicherweise den Kontakt zu seinen Freunden in der ehemaligen Klasse verliert, er nun der älteste in der neuen Klasse ist und den Stempel trägt, dass er Lernschwierigkeiten hat. Es ist vorstellbar, dass dies keine höhere Lernmotivation hervorbringt, was viele internationale Studien bestätigen. Die Bertelsmann-Stiftung nahm sich 2009 dieses Problems an und stellte dieser Strategie „Wiederholung des Schuljahres“ ein negatives Zeugnis aus. Sie errechnete jährliche Mehrausgaben für Klassenwiederholungen in Höhe von etwa 931 Millionen Euro.

„Die hohen Ausgaben für Klassenwiederholungen sind angesichts der empirischen Belege, die die Unwirksamkeit dieses Instruments für die einzelnen Schülerinnen und Schüler zeigen, nicht zu rechtfertigen. Die pädagogisch nicht zu begründenden Unterschiede bei Klassenwiederholungen zwischen den Schulstufen und den Schulformen können ebenso wie die unübersehbaren Länderunterschiede als zusätzliche und deutliche Hinweise darauf verstanden werden, dass der Einsatz der für Klassenwiederholungen verbrauchten Ressourcen zu Gunsten einer verstärkten individuellen Förderung ertragreicher wäre.““[18]

Es gab viel Kritik an der Studie und wie die Mehrausgaben berechnet wurden.[19] In Tabelle 1 werden 155800 Schüler ausgewiesen, die ein Schuljahr wiederholen. Das Statistische Bundesamt[20] gibt die Ausgaben je Schüler und Jahr zwischen 7500 und 12300 Euro an. Konservativ gerechnet, kommt man auf rund 1,17 Milliarden Euro als Kosten für die Wiederholung des Schuljahres.

7500 Euro/ Schüler * 155800 betroffene Schüler = 1.168.500.000 Euro

für die Wiederholung des Schuljahrs in 2022.

Zurück zum Anfang 

 

Schach als Goldgrube

Aus dem eben dargelegten, ergeben sich in Deutschland immense Sparpotenziale und Möglichkeiten für höhere Steuereinnahmen. Letztere würden aus den höheren Einkommen resultieren. Man kann auch argumentieren: die Ausgaben zur Verbesserung der schulischen Leistungen finanzieren sich selbst – aus den eingesparten Kosten für die negativen Begleiterscheinungen des Misserfolgs in der Schule.

  • 1,4 Milliarden Euro Kosteneinsparung für nicht begangene Straftaten, wenn die Zahl der Schulabbrecher halbiert wird
  • 0,9 Milliarden Euro für die Wiederholung des Schuljahres
  • 45 Milliarden Euro für die Schulabbrecher (45 000 Schulabbrecher in einem Jahr, 1 Million Euro je Schulabbrecher für Transferleistungen oder geringere Einkommen im Vergleich zu Personen mit Schulabschluss)
  • ??? Euro (Ausgabenhöhe unbekannt) für medizinische und psychische Behandlungen, Förderunterricht, …

Es ist augenscheinlich, dass kluge Investitionen zur Verbesserungen der Schulleistungen enorme Gewinne für die Gesellschaft bedeuten, was auf Regierungsebene bedeutet, dass die einzelnen Ministerien in ihren Bilanzen unterschiedlich stark davon profitieren, wobei das Bildungsministerium die dafür getätigten Ausgaben in seinen Büchern hat. Weitere Gewinne, die monetär nicht zu erfassen sind, wären Stolz und Zufriedenheit auf das Erreichte im Leben, Verantwortungsbewusstsein, Vertrauen in eigene Fähigkeiten, Kraft zur Erreichung neuer Ziele, Integration in die Gesellschaft.

Das Schachspiel ist weltweit in den Fokus von Bildungsforschern und Politikern geraten. Um Schach zu spielen, bedarf es keiner hohen Investitionsbeträge. Schach kann überall gespielt werden, dafür braucht man keine speziellen Hallen, Stadien und auch keine spezielle Kleidung. Ein Schachbrett und ein Satz vollständiger Schachfiguren, egal aus was für einem Material, genügen und es kann losgehen.

Beispielrechnungen:

Annahmen:

1 Schachbrett mit Figurensatz kostet 10 Euro

Eine geeignete Schachuhr 30 Euro.
In Deutschland gibt es ca. 15400 Grundschulen.[21]

Schachbretter und Figurensätze für die Schulen:
15400 Grundschulen x 2 Klassensätze (16 Schachsets für eine Klasse, 2 Kinder je Set) x 10 Euro je Set = 4,928 Millionen Euro einmalig
Schachuhren: 15400 Grundschulen x 16 Schachuhren (16 Uhren als Klassensatz) x 30 Euro je Uhr = 7,392 Millionen einmalig

Die Investitionen in Schachspiele ist eine kleine Summe im Vergleich zu den möglichen Renditen bei Verbesserung der Schulleistungen. Der Vorteil kann dreistellige Millionenbeträge oder gar Milliardenbeträge erreichen, abhängig davon, wie viele Schüler am Schachunterricht teilnehmen.

Lehrmaterialien gibt es in vielen Sprachen. Weltweit werden Ideen und Erfahrungen kommuniziert, wie Schach in den verschiedenen Schulfächern eingesetzt werden kann. Neben den naheliegenden Fächern Mathematik und Informatik gibt es Beispiele für die Anwendung in Biologie, Physik, Sport, Ethik und Fremdsprachenunterricht. Das Schachspielen ist ein lerndidaktisches Instrument mit therapeutischen Effekten.

 

Zurück zum Anfang

Schach wirkt nachhaltig auf den Schulerfolg

Für weltweites Aufsehen sorgte 2007 die Trierer Studie[22], in der gezeigt wurde, dass regelmäßiger Schachunterricht zu besseren Lernergebnissen in Deutsch und Mathematik führen. 2008 hat ein Forscherteam an der Universität Leipzig[23] in einer aufwendigen Studie nachgewiesen, dass Kinder mit Rechenstörungen sich in Mathematik signifikant verbesserten. Pädagogen berichten, dass Schüler, die Schach spielen weniger aggressiv auftreten. Selbst verhaltensauffällige Schüler unterliegen der Schachmagie und sind weniger auffällig und aggressiv. 2021 traten spanische Forscher mit den Ergebnissen ihrer klinischen Studie in die Öffentlichkeit, wie Schach die kognitive Leistungsfähigkeit der ADHS-Patienten und deren Selbstgefühl verbesserte und so bessere Schulleistungen erreicht wurden. In 2022 publizierten russische Forscher gleich mehrere Studien, darunter eine Langzeitstudie über einen Zeitraum von 18 Jahren. Die Langzeitstudie belegt die Langzeitwirkung des Schachunterrichts in der Grundschule. Die dort erworbenen Einsichten und Einstellungen zur Lernmotivation, Selbstbewusstsein, Problemlösung, Selbstwertgefühl, Aufmerksamkeit wirken auch noch Jahre später positiv nach, selbst wenn die Schüler kein Schachtraining mehr erhielten. Die Ergebnisse wurden schon Jahre zuvor auf internationalen Kongressen in Quebec (Kanada, 2017) und Moskau (Russland, 2018) vorgestellt, ehe 2022 ausführliche Berichte mit theoretischen Hintergründen und Praxishinweisen folgten. Sogar Menschen mit geistigen Problemen konnten dank dem Schachspiel ein für sie völlig neues Leben kennenlernen. Sie befreiten sich aus dem Korsett und können ein selbstbestimmtes Leben in Würde führen, für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen. Das Paradebeispiel ist Jarno Scheffner, bei dem man einst einen IQ von 59 feststellte und der eine Förderschule für geistig Behinderte besuchte. 2022 wurde er Schachweltmeister im Amateurbereich und arbeitet heute als Gärtner.[24]

Weiterführende Informationen:

Schulschach ist eine enorme sozioökonomische Ressource mit immensen finanziellen Vorteil für die Gesellschaft (05.02.2022) – Link
Plädoyer für Schach in der Schule – Link

Zurück zum Anfang

 

Referenzen

 

[1] „Schulschach ist eine enorme sozioökonomische Ressource mit immensen finanziellen Vorteil für die Gesellschaft“, 05.02.2022 URL: https://www.chess-science.com/schulschach-soziooekonomische-ressource-finanziellen-vorteil/

[2] Ritchie, Stuart J., and Timothy C. Bates. „Enduring links from childhood mathematics and reading achievement to adult socioeconomic status.“ Psychological science 24.7 (2013): 1301-1308, URL: https://doi.org/10.1177/0956797612466268

[3] Gross J, Hudson C, Price D: The long term costs of numeracy difficulties. London: Every Child a Chance, URL: https://www.numicon.co.nz/uploads/66441/files/Numicon_research_ECC_paper.pdf

[4] Anmerkung: Die Europäische Union definiert Schulabbrecher als Personen zwischen 18 und 24 Jahren, die lediglich über einen Abschluss der Sekundarstufe I verfügen und keine weiterführende Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen

[5] Europäisches Parlament. „VERRINGERUNG DER SCHULABBRECHERQUOTE IN DER EU“ (2011), URL: Link

[6] Andersen A.M., Mortensen L. H., Kriminalitet og uddannelse blandt unge. Danmarks Statistik. (2016)  URL: Link

[7] BMBF URL: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/21-04-28-bbb-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=1

[8] Destatis, Pressemitteilung Nr. N 002 vom 21. Januar 2022 (2022), URL: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_N002_21.html

[9] Hillenbrand, Clemens, and Heinrich Ricking. „Schulabbruch: Ursachen-Entwicklung-Prävention. Ergebnisse US-amerikanischer und deutscher Forschungen.“ Zeitschrift für Pädagogik 57.2 (2011): 153-172., URL: Link

[10] Berufsbildungsbericht 2022, Drucksache 20/1930 (17.05.2022) https://dserver.bundestag.de/btd/20/019/2001930.pdf

[11] Berufsbildungsbericht 2022, Drucksache 20/1930 (17.05.2022) https://dserver.bundestag.de/btd/20/019/2001930.pdf

[12] Entorf, Horst & Sieger, Philip. (2010). Unzureichende Bildung: Folgekosten durch Kriminalität. https://doi.org/10.13140/RG.2.1.3263.0887 .

[13] Entorf, H., J. Möbert und S. Meyer (2008). Evaluation des Justizvollzugs. Ergebnisse einer
bundesweiten Feldstudie,. Heidelberg: Physica-Verlag

[14] Entorf, Horst & Sieger, Philip. (2010). Unzureichende Bildung: Folgekosten durch Kriminalität. https://doi.org/10.13140/RG.2.1.3263.0887 .

[15] Entorf, Horst & Sieger, Philip. (2010). Unzureichende Bildung: Folgekosten durch Kriminalität. https://doi.org/10.13140/RG.2.1.3263.0887 .

[16]  Berufsbildungsbericht 2022, Drucksache 20/1930 (17.05.2022) https://dserver.bundestag.de/btd/20/019/2001930.pdf

[17]    Europäische Kommission, CONFERENCE REPORT: REDUCING EARLY SCHOOL LEAVING: EFFICIENT AND EFFECTIVE POLICIES IN EUROPE (2012) URL: Link

[18] Klemm, klaus. Klassenwiederholungen – teuer und unwirksam. Bertelsmann-Stiftung.. (2009), URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/klassenwiederholungen-teuer-und-unwirksam

[19] Vgl. Bender, Peter. „Problematik der Messinstrumente am Beispiel jüngerer Schulstudien.“ Gauger, J.-D./Kraus, J.(Hg.): Empirische Bildungsforschung. Notwendigkeit und Risiko. St. Augustin/Berlin (2010). URL: Link

[20] Destatis. Pressemitteilung Nr. 047 vom 3. Februar 2022. (2022), URL: Link

[21] „Anzahl der Grundschulen in Deutschland von 2002 bis 2020“, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235954/umfrage/allgemeinbildende-schulen-in-deutschland-nach-schulart/ (24.01.2022)

[22] Filipp, Sigrun-Heide, and H. Spieles. „Fördert Schachunterricht in der Grundschule die geistige Entwicklung der Kinder.“ Abschlussbericht über eine Evaluationsstudie zum Schachunterricht in einer Trierer Grundschule. Trier: ZDiag (2007).URL: https://nsv-online.de/downloads/Endbericht-Abschlusskorrektur13-02-07.pdf

[23] Scholz, Markus, et al. „Impact of Chess Training on Mathematics Performance and Concentration Ability of Children with Learning Disabilities.“ International Journal of Special Education 23.3 (2008): 138-148.; url. https://www.ztr-rechenschwaeche.de/wp-content/uploads/2021/10/scholz_et_al_chess.pdf

[24] Zeit online, 11.08.2022, URL: https://www.zeit.de/2022/33/jarno-scheffner-schach-amateur-weltmeister