Dass die Kinder in den Kindergarten gehen, war in der DDR Normalität. Im wiedervereinigten Deutschland beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Kindergarten die frühkindliche Entwicklung fördert und gut auf die Schule vorbereitet. Experten diskutieren Ideen und Konzepte. In der Studie der Freien Universität Berlin aus 2014 wird festgestellt: „Qualitativ hochwertige Kindertageseinrichtungen haben vor allem für Kinder in prekären Lebenslagen eine Kompensationsfunktion, da sie ihnen gesellschaftliche Teilhabe, Lernanregungen und positive außerhäusliche Erfahrungen ermöglichen. Sie können nicht nur die kognitive und sozio-emotionale Entwicklung der Kinder positiv beeinflussen.“ 1 2006 ergriff Ralf Schreiber die Initiative, rief „Schach für Kids“ ins Leben und entwickelte die Lehrmethode „Schach im Kindergarten“. Die vielen Ehrungen zeugen von der großen Anerkennung für sein hervorragendes Engagement und für seinen Weitblick.
Die Geschichte der Kindergärten reicht weit zurück. 1840 wurde der erste Kindergarten von Friedrich Fröbel in Bad Blankenburg, mitten in Deutschland, gegründet. „Nicht das schulmäßige Lernen sollte angestrebt, sondern vielmehr die geistigen Anlagen geweckt, gestärkt und auch geleitet werden, um den sich entwickelnden Verstandes-, Gefühls- und Willenskräften eine gute Basis zu schaffen.“2 Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer beschreibt die hohe Leistungsfähigkeit und Talente der Kinder treffend mit „Junge Gehirne sind wahre Lernmaschinen, Informationsaufsauger, Regelgeneratoren und zudem Motivationskünstler“.3
Die Kindergärten weisen regional zusätzliche Angebote aus: Englisch, Musikinstrument, diverse Sportarten, Schach, … Der Grat zwischen Förderung und Überforderung ist schmal. Es kommt nicht selten vor, dass die wohlgemeinte Förderung in Förderwahn der Eltern umschlägt, obwohl die Eltern nur das Beste für ihr Kind wollen – nämlich optimale Startbedingungen für das spätere Leben schaffen. Es gibt Kinder, die haben einen durchstrukturierten Zeitplan: Montag – Reiten, Dienstag Fußball, Mittwoch – Musikschule, Donnerstag – Tanzen, Freitag – Schach, Wochenende- Wettkämpfe und Auftritte. Dem Kind bleibt wenig Zeit, seine Ideen und Fantasien auszuleben. Mal nichts tun, Pause machen, träumen – die viel verpönte Langeweile fördert die Kreativität! Dies gilt für Kinder wie Erwachsene, wie inzwischen die Wissenschaft herausgefunden hat. Der Hirnforscher Henning Beck erklärt: „Wer trotz Stress produktiv bleiben will, der benötigt Spiele, Emotionen und ab und zu Langeweile.“4
Es ist keine Seltenheit, dass sich Kinder für andere Spiele und Sportarten als die Eltern begeistern. Das Wichtigste ist, dass die Kinder mit Spaß und Freude die Lernangebote wahrnehmen und den Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Die Initiative „Schach für Kids“, die am 04. Oktober 2020 ihren 15. Geburtstag feierte, verbindet alle Elemente miteinander. Die Kinder entdecken spielerisch die Magie des Schachs, das besondere Eigenleben der Schachfiguren und lernen nebenbei, sich auf eine Sache zu konzentrieren, trainieren das Gedächtnis, stärken das Selbstvertrauen und verhalten sich respektvoll, wie unterschiedliche Studien im In- und Ausland bestätigen. Eine umfangreiche Studie, die die Stiftung Mercator finanzierte, belegt die hohe Qualität und die Erfolge des Projektes „Schach im Kindergarten“
Expertise für das wissenschaftlich begleitete Projekt „Schach im Kindergarten“
Pressemeldung „Schach für Kids“ vom 06.10.2020
Sprach-Kitas und Schach-Kitas – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Die Schachbegeisterung der Kindergartenkinder bzw. Kinder bis 8 Jahre kann durch ein größeres Angebot von Schachturnieren zusätzlich gefördert werden. In Deutschland gibt es viele Schachfunktionäre und Schachfreunde, die die Sinnhaftigkeit von Schachturnieren für kleine Kinder (bis 8 Jahre) bezweifeln. Die russische Studie aus 2015 „Chess competitions as a stage of the chess learning process of preschoolers“ sollte alle Zweifel ausräumen: „Der regelmäßigen Teilnahme an Schachwettbewerben kommt eine Schlüsselrolle beim Erlernen des Schachspiels zu. Kinder, die an Turnieren teilnehmen, haben nicht nur ihr Spielniveau deutlich verbessern können, sondern zeigen auch eine größere Begeisterung für Schach. Die Platzierung im Schachturnier ist nicht von zentraler Bedeutung, wichtiger ist die Teilnahme und die zusätzliche Spielpraxis. Den Schachlehrern wird empfohlen, regelmäßig Turniere für die Kindergartenkinder zu organisieren, egal ob als Meisterschaft, Familien- oder Breitenschachturnier.“5
Referenzen:
1 Gönder D. (2014), KiTA 2030: Eine Delphi-Befragung zur Zukunft von Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Berlin: Freie Universität Berlin, Institut Futur Volltext PDF-Datei
2 Wasmuth, H. (2010). Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen: Zur Bedeutung von Bildung und Erziehung in der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland bis 1945, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen Volltext PDF-Datei
3 Spitzer, M. (2003). Lernen: Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag
4 Quelle SWR, https://www.swr.de/wissen/odysso/aexavarticle-swr-79146.html
5 Kozlov, G.A. (2015), Chess competitions as a stage of the chess learning process of preschoolers. Scientific theory journal „Uchenye zapiski universiteta imeni P.F. Lesgafta“, No. 5 (123) – 2015 Volltext PDF-Datei (in Russisch)